Wolfgang Hildesheimer
beschreibt im 1955 erschienenen Stück Teile des Troja-Stoffes aus der
Sicht Helenas. Unverkennbar ist die Sympathie Hildesheimers für diese
Frau, die in der von Männern geschriebenen Historie zum Opfer
königlicher Macht- und Kriegsgelüste wird. Helenas selbständige
Geisteshaltung und ihr Handeln machen sie zur Sympathieträgerin.
Von ihrem Gatten Menelaos, König von Sparta, wird sie gedrängt, sich vom
trojanischen Prinzen Paris entführen zu lassen, um so den Krieg gegen
die Trojaner zu provozieren. Helena beschließt jedoch, diese
Kriegstreiberei mit weiblicher List zu unterlaufen. Trotz ihrer
Versuche, die Machtbestrebungen in Frieden umzuwandeln, bleibt Helena
letztlich aber Opfer. Für ihr Buchstabieren des Begriffes Vernunft
erntet sie nur ignorantes Schulterzucken.
Hildesheimer, dessen Erfahrungen mit Hitler-Deutschland und dem Zweiten
Weltkrieg der Bearbeitung des Troja-Stoffes deutlich anzumerken sind,
kritisiert durch Helena jede Kriegstreiberei. Dank seiner
undidaktischen, zwischen Ironie und Zynismus gleitenden Sprache ist das
Stück Denkanstoß, ohne agitatorisch zu wirken. So erhält der Zuschauer
die Chance, sich der dramatischen Geschichte der schönsten Frau unter
den Sterblichen auf undramatische Weise zu nähern. |